Juristenausbildung kritisch betrachtet

7. Jahrestagung, 1. bis 3. Oktober 2005

Tagungsbericht

Nach den Bekenntnissen von Justizpolitikern und Vorgaben der Ausbildungsgesetze ist die Ausbildung der deutschen Juristen gerichtet auf den „aufgeklärt handelnden Juristen“ mit rechts- und sozialwissenschaftlich fundiertem Durchblick und der Fähigkeit zur methodenorientierten Entfaltung der Gesetzesnormen. Die Ausbildungswirklichkeit ist davon weit entfernt. Unsere Juristen durchlaufen nahezu dieselbe Ausbildung, von der schon die Juristen der Jahre 1913, 1933 und 1953 ihre Prägung erhalten hatten.

Darüber, dass technische Berufsqualitäten auch ins Gegenteil umschlagen können, erfahren sie nichts. Die Bereiche der Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie sind fast vollständig ausgeklammert. Auch die Bemühungen um eine Ausbildungsreform gehen in die Richtung des rasch „durchentscheidenden“ und wenig reflektierenden Rechtstechnokraten.

Die universitäre Ausbildung dient überwiegend der Anhäufung möglichst flächendeckenden Wissens in möglichst vielen examensrelevanten Fächern. Für eine methodisch bewusste, vertiefende Durchdringung des Rechtsstoffs unter Einbeziehung seiner historischen, philosophischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen bleibt keine Zeit. Das unkritische Auswendiglernen von Lehrmeinungen und eine eher dressurmäßig als methodenbewusst eingepaukte, allein auf das Examen ausgerichtete Klausurentechnik lassen das Kritik- und Reflexionsvermögen der angehenden Juristen systematisch verkümmern.

Dieser Zustand ist nicht nur für die Ausbilder und Auszubildenden unerträglich. Er ist auf längere Zeit auch für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft schädlich, eine Gefahr für die weitere Entwicklung des demokratischen Rechtsstaats.

Gibt es unter den Bedingungen des universitären Massenbetriebs und der zunehmenden Ökonomisierung der Universitäten Möglichkeiten zu einer Reform, die diesen Namen verdient? Oder gilt der selbständig denkende, nicht jederzeit lenkbare Jurist gar aus hierarchischer Sicht als Störenfried? Schon heute steht jedenfalls fest, dass von rechtshistorischen, rechtsphilosophischen und methodenkritischen Kenntnissen unbeschwerte Juristen den Zumutungen einer krisenhaften Staatsentwicklung nicht standhalten können.

Die Tagung will in Ausbildung und Praxis tätige Juristen, Studenten, Referendare und andere interessierte Bürger zur Diskussion über diese Fragen zusammenführen.

Dr. Andreas Fijal (Freie Universität Berlin)
Juristenausbildung kritisch betrachtet

Dr. Helmut Kramer (Wolfenbüttel)
Warum die jüngste Rechtsgeschichte uns soviel zu sagen hat

Prof. Dr. Ingo Müller (Bremen)
Juristenausbildung im Spiegel der Literatur

Privatdozent Dr. Ralf Frassek (Universität Halle)
Juristenausbildung im Nationalsozialismus

Prof. M. Karl-Heinz Lehmann (Burgdorf)
Juristenausbildung in der SBZ/DDR

Dr. Helmut Pollähne (Bielefeld)
Phasenweise Reformen – Eindrücke eines teilnehmenden Beobachters

Rechtsanwalt Klaus Eschen (Berlin)
Wie haben sich die kritischen Anstöße der 60er und 70er Jahre auf das Binnenklima der Justiz ausgewirkt?

Privatdozent Dr. Jörg Arnold (MPI, Freiburg)
Deutsch-deutsche Strafrechtsgeschichte – ein Seminar an der Universität Münster

cand. jur. Thilo Scholle (Lünen)
Wie und was lehren? – Aus der Sicht junger Juristen
PDF zum Download

Ass. jur. Ralf Oberndörfer (Berlin)
Die mündliche Prüfung als Initiationsritual

Vorsitzender Richter am OLG Dr. Rüdiger Söhnen (Dresden)
Zur prägenden Wirkung der Juristenausbildung auf die Mentalität im Berufsvollzug

Vorsitzender Richter am Landgericht Hartmut Schneider (Lübeck)
Juristenausbildung: Eine Veranstaltung zur Beförderung oder zur Austreibung kritischen Denkvermögen